20 Jahre Kompetenzzentrum Pharma / Klinische Pharmazie in der EKK plus

03.06.2025

Vor etwa 20 Jahren hatten Dr. Hans-Dieter Kober und Peter Buchal die Vision für einen Fachbereich, der für Einkaufs- und Dienstleistungsgemeinschaften neuartig war und bis heute ein Alleinstellungsmerkmal der EKK plus darstellt – das Kompetenzzentrum Pharma.

Auch wenn sich über die Jahre der Name des Fachbereichs geändert hat, so besteht noch immer derselbe Grundgedanke wie zur Gründungszeit: den Strategischen Einkauf der EKK plus und darüber hinaus auch die Mitgliedsapotheken bei sämtlichen pharmazeutischen Fragestellungen zu unterstützen und eine fachliche Begleitung anzubieten.

Aus Anlass des Jubiläums hat Sindy Barke-Burjanko ein Interview mit beiden Visionären geführt. Dr. Hans-Dieter Kober – ehemaliger Leiter des Kompetenzzentrums Pharma und Peter Buchal – ehemaliger Chefapotheker des Klinikum Konstanz. Beide gelten als Gründer und Impulsgeber des Fachbereichs Pharma.

Barke: Was war der Auslöser, bzw. welche „Aufbruchsthemen“ haben euch damals zur Gründung des Kompetenzzentrum Pharma bewogen?

Kober: Die Initiative für die Einkaufsgemeinschaft ging von den Geschäftsführern kommunaler Krankenhäuser aus. Primäre Zielgruppe waren zunächst die Einkaufsabteilungen für Medizinprodukte. Schnell sah die EKK eine Chance darin, neben den Wirtschaftsabteilungen der Kliniken auch die Apotheken als Kunden zu gewinnen. Es war daher naheliegend, die Einkaufsmacht der kommunalen Kliniken auch im Pharmabereich zu bündeln. Dadurch entstand das Kompetenzzentrum Pharma. Die Klinikapotheken taten sich zunächst schwer mit einer Zusammenarbeit, weil sie um ihre Einkaufskompetenz besorgt waren. Erst durch die Erfolge gemeinsamer Einkaufsverhandlungen im Pharmabereich, vor allem die vom Kollegen Buchal in Konstanz erstmalig durchgeführte Ausschreibung von niedermolekularen Heparinen zur Thromboseprophylaxe und -Therapie führten zu einem schrittweisen Umdenken. Damit entstand in den Klinikapotheken auch der Wunsch nach einer überregionalen Zusammenarbeit bei der Beurteilung neuer Wirkstoffe, Darreichungsformen und Indikation von Arzneimitteln. Ohne kompetentes Personal wäre dies auch im Kompetenzzentrum Pharma der EKK kaum möglich gewesen.

Buchal: Bei einem Treffen der EKK im Mitgliedshaus in Frankfurt Nordwest überraschte mich Hans-Dieter beim Frühstück mit der Ankündigung, ein Wissenszentrum in der EKK aufzubauen und als deren Leiter hauptamtlich tätig werden zu wollen; seine Tätigkeit als Chefapotheker im Klinikum in Friedrichshafen würde er aufgeben. Ich war wie vom Donner gerührt und habe ein paar Tage gebraucht, um diese Idee in mir reifen zu lassen und deren Tragweite auch nur im Ansatz zu verstehen. Es gab in den Einkaufsgemeinschaften hierfür kein Vorbild. Hans-Dieter habe ich dann eine pharmazeutische Heimat in der Zentralapotheke des Klinikums Konstanz angeboten und ihn so umfassend als möglich unterstützt. Ohne zu übertreiben, würde ich heute sagen: das war ein Geniestreich! Ich bewundere heute noch den Mut von Hans-Dieter Kober und danke für das Vertrauen, das Heribert Schlaus, seinerzeit Prokurist der EKK, uns entgegengebracht hat. Wir hatten weitgehend freie Hand, um zu experimentieren.

Wissen zu teilen, wurde zu damaliger Zeit doch eher noch zurückhaltend umgesetzt. Heute sieht das etwas anders aus. Der steigende wirtschaftliche Druck, die Marktveränderungen, die zusätzlich zu erbringenden Implementierungsleistungen für digital-gestützte Prozesse, aber auch die in vielen Regionen angespannte Fachkräftesituation und der Bürokratieirrsinn lassen nunmehr stärker den Synergiegedanken in Krankenhausapotheken reifen.

Barke: Waren Krankenhausapotheker*innen früher eher Einzelkämpfer*innen und haben sich im Laufe der Jahre eher zu Netzwerker*innen entwickelt? Inwieweit hat der Verbund der EKK plus dazu beigetragen?

Kober: Wissen zu erarbeiten und zu teilen ist sicherlich ein Erfolgsmodell der EKK Pharma. Das Wissen verschiedener Apotheken zu erfragen, zu sammeln, Best Practice-Modelle zu erstellen und zu kommunizieren sowie in den Arbeitstagungen vorzustellen und zu diskutieren, ist wichtiger Bestandteil der Pharma-Treffen. Die Medizin im Krankenhaus unterliegt einem raschen Wandel. Hier nicht den Überblick zu verlieren, wird auch in Zukunft eine wichtige Unterstützung des Kompetenzzentrums sein.

Buchal: Krankenhausapotheker waren historisch immer Einzelkämpfer. Es gab Zusammenarbeit auf lokaler Ebene zwischen benachbarten Krankenhausapotheken, aber immer auch die Sorge, von seinen Kollegen im Rahmen von Versorgungsverträgen und unter Verlust der eigenständigen Krankenhausapotheke „vereinnahmt“ zu werden. In der Einkaufs-gemeinschaft war die räumliche Distanz der Krankenhausapotheken aber i.d.R. so groß, dass die Zusammenarbeit ohne Hintergedanken und Befürchtungen aufgenommen und fruchtbar gestaltet werden konnte.

Seit der damaligen Grundsteinlegung für das Kompetenzzentrum Pharma ist ein wirklich starkes Netzwerk entstanden. Gerade die aufgeführten Herausforderungen bieten unzählige Ideen und Impulse die Krankenhauspharmazie weiterzuentwickeln. Heute spielen neben der prozesstransformierenden Digitalisierung auch Ansätze zum verantwortungsvollen Ressourcenumgang (Stichwort Nachhaltigkeit) eine bedeutende Rolle. Prozesse neu denken wird entscheidend für eine zukunftsorientierte und auskömmliche Patientenversorgung sein. 

Barke: Auf welche Zukunftsthemen hattet ihr damals schon gesetzt? Welche Themen stellten die größte Herausforderung dar?

Kober: Die Klinikapotheken haben in den letzten Jahrzehnten eine differenzierte und nachhaltige Entwicklung erlebt. Sie sind nicht nur Einkäufer und Distributoren von Arzneimitteln, der Dienstleistungsbereich der Klinikapotheken ist vielseitiger geworden, pharmazeutisches Personal ist beratend und unterstützend für Ärzte und Pflegepersonal auf Station unterwegs und wertgeschätztes Mitglied des therapeutischen Teams auf Station.

Buchal: Hans-Dieter Kober hat früh damit begonnen, pharmakologische Vergleichslisten zu erstellen, eine Grundlage, die als Vorbereitung für das Arzneimittelsortiment und die Sitzungen der Arzneimittelkommissionen essenziell waren. Sie haben aber auch als Grundlage für Ausschreibungen von Arzneimitteln gedient, die als Alleinstellungsmerkmal durch die EKK ins Leben gerufen worden sind. Unvergessen sind die beiden ersten Ausschreibungen von Humanalbumin (Buchal) und Ceftazidim (Kober), die von allen für unsinnig, unmöglich und undurchführbar gehalten worden sind. Einen wirtschaftlichen Vorteil versprach sich damals kaum einer. Beide Verfahren wurden ein überwältigender Erfolg, der Rest ist Geschichte.

Barke: Was war die größte (inzwischen erfolgreich gelöste) Herausforderung von damals, der man möglicherweise am liebsten aus dem Weg gegangen wäre, um am Ende doch zu konstatieren, dass es eine Erfolgsgeschichte wurde. Mit Blick auf die eigene Apotheke und auch die Krankenhauspharmazie im Gesamten.

Kober: Die EKK war nicht die erste Einkaufsgemeinschaft im Pharmabereich, auch andere Einkaufsgemeinschaften haben sich dieses Themas angenommen. Es ist aber ein besonderes Merkmal der EKK, es nicht nur bei der Bereitstellung günstiger Konditionen zu belassen, sondern auch die Umsetzung auf Station im Auge zu behalten. Dieser Prozess beginnt mit der Einbeziehung der Anwender vor Beginn der Vergabeverfahren und geht über die Bekanntgabe der Ergebnisse hinaus und endet erst, wenn die Anwendung der eingekauften Arzneimittel erfolgreich für Patientinnen und Patienten und Therapeutinnen und Therapeuten ist. Notwendige Wechsel im Arzneimittelsortiment müssen für Ärztinnen und Ärzte und vor allem für das Pflegepersonal praktikabel und nachvollziehbar sein, da letztere die Tabletten, Injektionen und Infusionen richten.

Im Rückblick ist klar erkennbar, dass sich die EKK über die 20 Jahre ihres Bestehens zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat. Der Feind des Guten ist aber das Bessere. Es ist daher der EKK plus zu wünschen, dass sie auch in Zukunft die bessere Wahl ist, immer gute und engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat, die gerne ihr Bestes geben

Buchal: Die größte Herausforderung war, Vertrauen zwischen den Mitgliedsapotheken herzustellen. Die eigenen Preise waren das bestgehütete Geheimnis, die Offenlegung gegenüber der EKK plus mit Angst vor einem Gesichtsverlust und einem von Köln befürchteten Durchstechen an die eigene Geschäftsführung begleitet. Das Misstrauen war in den ersten Jahren mit Händen zu greifen, vertrauensbildende Maßnahmen die größte Herausforderung.

Um noch einmal auf die Aufbruchsthemen bzw. auf das Vordenken zurückzukommen. Dieses brauchen wir nach wie vor, denn der Druck auf das Gesundheitssystem steigt und somit auch die Ansprüche an eine zukunftsorientierte und auskömmliche Patientenversorgung durch die Krankenhausapotheken.

Barke: Wie seht ihr die zukünftige Rolle der Krankenhausapotheken und die Anforderungen an einen Einkaufs- und Dienstleistungsverbund?

Kober: Patientenindividuelle parenterale Zubereitungen und Unit Dose werden weiter zunehmen. Hier liegen große Chancen für Klinikapotheken, einen entscheidenden Beitrag zur Arzneimittelsicherheit in Kliniken zu liefern. Das Kompetenzzentrum Pharma war und ist besonders erfolgreich, da ein intensiver Wissensaustausch immer positiv unterstützt wurde. Unsere Arbeitstage sind eine wichtige Plattform für den Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedern. Dieser sollte weiterhin möglich sein.

Buchal: Mir wird schwindelig, wie sehr sich die Krankenhauspharmazie in den letzten 40 Jahren verändert hat. Stand zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit die Arzneimittelherstellung im halbindustriellen Maßstab im Vordergrund, haben Arzneimittelinformation, klinische Pharmazie, patientenorientierte Pharmazie u.a. mit Fokus auf die AMTS (Arzneimitteltherapiesicherheit), Unit-Dose-Versorgung sowie ABS-Programme (Antibiotic Stewardship) das klassische Bild des Krankenhausapothekers vergessen lassen - was absolut richtig ist. Die aufgezählten Tätigkeitsbilder definieren auch in weiten Bereichen die Anforderungen, die an ein Kompetenzzentrum - gleich welcher Nomenklatur - einer Einkaufsgemeinschaft gestellt werden. Diese Anforderungen sind heute um Welten komplexer geworden als zu den Anfängen dieser Einrichtung. Hier bedarf es schon einer Art „Denkfabrik“.

Barke: Ich bedanke mich herzlich für das Interview anlässlich des 20. Jubiläums des Kompetenzzentrums Pharma, bzw. der Abteilung für Klinische Pharmazie. Der mutige Schritt hin zu einem gemeinsamen Wissensnetzwerk der Einkaufsgemeinschaft stößt nach wie vor auf eine breite Zustimmung und der damalige Grundgedanke des Austauschs und eines Miteinander bleibt erhalten und wird gepflegt. Wir freuen uns auf den weiteren gemeinsamen Weg und die fachliche Begleitung unserer Mitgliedseinrichtungen.

Das Team der Klinischen Pharmazie dankt auch den Kollegen*innen aus den Verbundapotheken der EKK plus für die vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie den amtierenden und ehemaligen Mitgliedern des PBL-Gremiums für den stets kollegialen Austausch.