Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln – heute und morgen
Gemeinsam mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie diskutierten Chefapothekerinnen und Chefapotheker über aktuelle Gegebenheiten und die zukünftige Entwicklung des Pharmastandorts Deutschland. Beide Parteien konnten hierbei besondere Hürden ihrer Branche in Deutschland vermitteln. Genannt wurden u. a. mangelnde Datenzugänglichkeit und Digitalisierung sowie Bürokratie und Fachkräftemangel.
Aber auch auf EU-Ebene wachsen die Herausforderungen durch die geplante Verkürzung der Schutzlaufzeit von Arzneimittelinnovationen. Insbesondere die kostenintensive Forschung und Entwicklung von Arzneistoffen wird dadurch eher behindert als gefördert. Als letzte Konsequenz bedeutet dies, dass Arzneimittelinnovationen/Therapieoptionen dem deutschen/europäischen Markt respektive den Patienten verwehrt blieben.
Fakt ist, in den letzten Jahren ist die Liefersituation zunehmend schwieriger geworden. Der global verbesserte Zugang zu bezahlbaren Gesundheitsleistungen hat zur stärkeren Nachfrage an qualitativ hochwertigen Arzneimitteln geführt - eine positive Entwicklung der globalen Gesundheitsperspektive, die jedoch den daraus resultierenden größer werdenden Wettbewerb um die Produkte, die Globalisierung sowie durch die Monopolisierung von Rohstoffproduzenten und Herstellbetrieben negativ beeinflusst wird.
Aus diesem Prozess resultiert zum Teil eine drastische Rohstoffverknappung, was sich stark auf die generelle Verfügbarkeit sowie auf die Marktpreisentwicklung von Arzneimitteln auswirkt. Die Attraktivität des Pharmastandort Deutschland wird durch aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklungen ebenfalls kritisch hinterfragt – aus Perspektive der Hersteller sei hier das GKV-FinStG (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) mit seinen umfangreichen innovationsfeindlichen Maßnahmen zu nennen.
Bei allen festgestellten unterschiedlichen Interessen gibt es Konsens darüber, dass die Rückverlagerung bereits ins Ausland verlegter pharmazeutischer Produktionsstätten nach Deutschland/Europa zielführend wäre, aber nicht realistisch ist, und sowohl kurz- als auch mittelfristig die Marktsituation nicht entlasten könnte.
Stattdessen sollte der Fokus darauf gelegt werden, globale Lieferketten robuster bzw. resilienter zu gestalten und die noch vorhandenen Standorte in Europa zu sichern, etwa durch die Verortung eines „Produktionsfaktors Europa“ in den Erstattungsmechanismen des SGB V.
Grundsätzlich ist es geraten, den wertschöpfenden Charakter der pharmazeutischen Industrie sowie Deutschland als Forschungsstandort deutlich stärker wahrzunehmen, sowie adäquate gesetzliche Rahmenbedingungen und ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen. Denn wenn in Deutschland neue Produkte entstehen, wird auch deren Produktion in Deutschland Zukunft haben.
Vertreter
Dr. Frank Münchberg, Bayer Vital, Head Market Access and Health Policy
Dr. Frietjof Traulsen, Boehringer Ingelheim, Geschäftsführung Standort Biberach
Falk Rochser, Ever Pharma, Geschäftsführung
Roland Eidherr, Hexal AG, Head Speciality
Dr. Maike Fedders, Klinikum St. Georg Leipzig, Chefapothekerin sowie Vorsitz Pharmaboard EKK plus
Lars Lemmer, Klinikum Oberberg, Chefapotheker sowie Vize-Vorsitz Pharmaboard EKK plus
Ulrich von Werne, EKK plus, Leitung Strategischer Einkauf Pharma
Sindy Barke-Burjanko, EKK plus, Leitung Klinische Pharmazie, AMTS und eHealth